Der richtige Reifendruck ist entscheidend für die Leistung, den Komfort und die Sicherheit eines Gravelbikes, beziehungsweise seines Fahrers. Allerdings gibt es weder eine pauschale Anleitung noch eine verbindliche, allgemeingültige Tabelle oder Richtwerte, die den richtigen Reifendruck vorgeben. Tatsächlich wird der korrekte Reifendruck von vielen Faktoren beeinflusst. Unter anderem von

  • Fahrergewicht (zum Teil auch Systemgewicht)
  • Reifenbreite
  • Felgenbreite
  • Untergrund
  • System (Tubeless-System oder Schlauch-System)
  • Temperatur und Witterung (Nässe, Hitze)

Was macht den richtigen Reifendruck überhaupt aus?

Der Reifendruck beeinflusst das Fahrverhalten eines Gravelbikes in vielerlei Hinsicht. Zu hoher Druck kann zwar den Pannenschutz erhöhen, aber im Gegenzug die Fahreigenschaften verschlechtern und das Unfallrisiko erhöhen. Deutlich zu niedriger Druck wiederum senkt den Pannenschutz deutlich und erhöht den Rollwiderstand und den Reifenverschleiß bei Vorderrad und Hinterrad. Ein optimal eingestellter Reifendruck bietet hingegen den besten Kompromiss aus Rollwiderstand, Grip und Komfort. Weil sich die Verhältnisse im Gravelbike häufig ändern können, solltest du den Reifendruck des Öfteren kontrollieren und auch anpassen. Erreichst du zum Beispiel auf einer Bikepacking-Tour einen längeren Abschnitt mit sandigem Untergrund, kann es sich durchaus lohnen, den Reifendruck für einige Stunden zu verringern, um ihn später, bei festerem Untergrund, wieder zu erhöhen.

Was heißt „optimaler Reifendruck“?

Früher – in Zeiten, als es Gravelbikes noch nicht gab, sondern Rennräder die Straße beherrschten – hieß es immer, je mehr Druck im Reifen, je schneller. Eine Mär, welche die Wissenschaft und viele Tests längst widerlegt haben. Ganz davon abgesehen, dass Rennradreifen früher oftmals dünner als 20 Millimeter waren. Um diese vor Durchschlag und Pannen zu schützen, pumpten Rennradfahrer oftmals so lange, bis 11 oder sogar 12 bar auf dem Manometer abzulesen waren. Wir sprechen im Übrigen bei einem früheren Fahrrad auch über Schlauchreifen; also gerade nicht über Clincher Felgen mit Drahtreifen, beziehungsweise Faltreifen und einen Schlauch, sondern über Felgen mit einem flachen Felgenbett auf welches damals der Reifen, bei dem Mantel und Schlauch zu einer Einheit vernäht waren, aufgeklebt wurde. Jedenfalls, wer in diesen alten Tagen eine Panne hatte, der musste schon eine ausgewachsene Fahrradpumpe dabeihaben, Minipumpen von damals waren mit den Anforderungen schnell überfordert. Heutzutage leisten die Pumpen natürlich deutlich mehr als früher. Sehr leistungsstarke Pumpen und Minipumpen findest du zum Beispiel bei Topeak.

Wie hoch sollte der Reifendruck bei einem Gravelbike sein?

Verlassen wir die alten Zeiten und wenden uns der Gegenwart zu. Sowohl die Entwicklung von Fahrradreifen als auch die von sportlichen Rennrädern hin zu Gravelbikes ist rasant fortgeschritten. Ein Gravelbike ist heute immer öfter erste Wahl, wenn es bei sportlichen Fahrern um die Neuanschaffung eines Fahrrads geht. Denn Gravelbikes verbinden das Gute aus zwei Welten: Sie sind sportlich-schnell unterwegs, bieten aber gleichzeitig die Robustheit, die es sowohl für Ausritte ins Gelände als auch für den täglichen Betrieb auf der Straße und in Städten benötigt. Mittlerweile gibt es sogar viele Modelle, bei denen Hersteller ihr Gravelbike in einer vollausgestatteten Version, also mit fest verbauter Lichtanlage, Schutzblechen und auch Gepäckträger anbieten. Für derlei geartete, vielseitige Bikes hat sich mittlerweile beim Gros der Konsumenten die Reifenbreite von 40 Millimeter durchgesetzt. Und, salopp gesagt, Pi mal Daumen ein Luftdruck von 3 bar. Wobei es natürlich Schwankungen gibt, je nach Untergrund, Fahrergewicht und auch persönlicher Vorlieben.

Wie misst man überhaupt Reifendruck beim Gravelbike?

Der Druck im Gravelbike-Reifen, also der Überdruck gegenüber dem Umgebungsdruck, wird meist in der Einheit bar angegeben, manchmal auch in PSI (pounds per square inch). Die Umrechnung: 1 bar = 14,5 psi

Manchmal reicht es, den Luftdruck, egal ob beim Mountainbike (MTB; mit Autoventil oder auch Presta Ventil), beim Rennrad oder auch bei Gravelbike und Trekkingrad, mit einem Daumendruck zu prüfen. Lässt sich der Reifen leicht eindrücken, scheint alles in Ordnung. Ein richtiger Luftdruckprüfer, wie zum Beispiel der Topeak Smart Gauge D2X, weist den Luftdruck indes wesentlich präziser aus und bietet dir somit auch eine bessere Chance auf mehr Leistung, Komfort, besseres Fahrverhalten und Fahrgefühl, sowie mehr Sicherheit.

Auf dem Bild wird der Reifendruck eines Rennrad-Reifens getestet.

Welchen Einfluss hat das Fahrergewicht auf den Luftdruck beim Gravelbike?

Das Gewicht des Fahrers spielt eine entscheidende Rolle bei der Wahl des richtigen Reifendrucks. Schwerere Radfahrer benötigen höheren Druck, leichtere folglich niedrigeren. Die Reifen sollen letztlich leicht federn, aber nicht springen. Zu schwammig dürfen sie sich natürlich auch nicht anfühlen. Für den idealen Reifendruck ist zum großen Teil das Körpergewicht des Fahrers relevant. Bei Rennradfahrern gilt die Formel 10 Prozent des Körpergewichts in bar. Wenn du 75 Kilogramm wiegst, solltest du den Reifen also bis 7,5 bar aufpumpen (natürlich unter Berücksichtigung der maximal zulässigen Luftdrücke von Reifen und Felgen). Beim Gravelbike würden wir eher 4 Prozent ansetzen. Du müsstest also mit 3 bar Luftdruck fahren. Du musst aber beachten, dass du das Systemgewicht nicht außer Acht lassen darfst, denn zum Beispiel Bikepacking-Taschen mit Inhalt erhöhen dieses zum Teil drastisch. Außerdem: Breitere Felgen erlauben heutzutage deutlich niedrigeren Druck als schmale, und der Vorderreifen kann ein paar Zehntel weniger bar bekommen als der Hinterreifen, der deutlich mehr Last zu tragen hat als sein Vorläufer. Übrigens: Auf der Flanke der verschiedenen Reifen und Reifenmodelle ist zumeist eine Range von niedrigstem bis höchstem empfohlenen Druck des Reifens angegeben.

Und wie verhält es sich bei breiteren Reifen?

Wie schon erwähnt, sind die meisten Gravelbiker mit mindestens 40 Millimeter breiten Reifen unterwegs. Aber natürlich kann man auch breitere Reifen wählen. Fährt man zum Beispiel ein Rennen wie die Tour Divide, die Mutter aller Bikepacking-Rennen, sind 60 Millimeter breite Reifen zumeist angesagt. Wir bewegen uns hier in teils sehr ruppigem Gelände und somit im Mountainbike-Bereich. Traut man sich vielleicht sogar auf die Panzer(Loch-)platten der ehemaligen Deutschen Grenze, dann darf man sogar 80 Millimeter breite Reifen montieren, in die man nur noch etwas mehr als 1 bar Luftdruck pumpt. Du denkst, das sei zu wenig Luftdruck? Nein, denn der Komfort für einen Fahrer erhöht sich mit den breiteren Reifen immens, und somit wohl letztlich auch seine Leistungsfähigkeit.

Apropos Rollwiderstand: Was ist das eigentlich?

Rollwiderstand ist die Kraft, die einem rollenden Rad oder Reifen entgegenwirkt und seine Bewegung verlangsamt. Diese Kraft entsteht hauptsächlich durch die Verformung des Reifens auf der Fahrbahnoberfläche sowie durch die inneren Reibungskräfte innerhalb des Reifens selbst. Es kommt hier zu Energieverlusten, die der Fahrer mit Muskelkraft kompensieren muss. Je schneller du fährst, desto stärker musst du in die Pedale treten, um den Rollwiderstand zu überwinden. Ein hoher Reifendruck mindert zwar den Rollwiderstand, verringert aber den Komfort. Da Gravel-Wege, ebenso wie auch Asphalt im normalen Straßenverkehr, nicht wie die Rennradbahn eines Velodroms besonders glatt ist, sorgt ein zu hoher Reifendruck für eine unruhige Fahrt. Der Reifen springt leicht und vibriert. Auf Gravel- und Waldwegen, ebenso wie auf unebenen Straßen und Kopfsteinpflaster ist es darum besser, den Reifendruck zu reduzieren. Ein geringerer Druck ermöglicht es dem Reifen, sich besser an den Untergrund anzupassen, was den Komfort erhöht und die Kontrolle verbessert.

Aeron TPU

Welchen Einfluss hat die Felgenbreite auf den Luftdruck im Gravelreifen?

Die Felgenbreite beeinflusst die Form des aufgepumpten Reifens, den Luftwiderstand und auch den Reifendruck. Breitere Felgen ermöglichen es, breitere Reifen zu montieren. Eine breitere Felge mit einem breiteren Reifen erfordert wiederum weniger Luftdruck, um die gleiche Leistung zu erzielen.

Was sind die Vorteile von TPU-Schläuchen?

Im Vergleich zu Butyl-Kautschuk-Schläuchen haben TPU-Fahrradschläuche viele Vorteile. Sie sind

  • Kleiner (passen in jede Trikottasche)
  • Luftdichter (Radler müssen seltener nachpumpen)
  • Leichter (Ihr Gewicht liegt im Schnitt 60 Prozent unter dem von Butyl, egal bei welchem Rad-Typ)
Zu sehen ist ein Aeron Schlauch, der auf einer Hand liegt.

Wie schon erwähnt, hängt der Reifendruck nicht nur vom Gelände ab, sondern auch in hohem Maße vom Gewicht des Fahrers (und auch vom Systemgewicht, bestehend aus Fahrer, Fahrrad und Gepäck), der Reifenbreite und auch dem gefahrenen System, also mit Schlauch oder aber tubeless. 
Hier findest Du nun eine Tabelle, die wir, basierend auf etablierten Daten im Rennradbereich für Gravelbiker adaptiert haben:

FahrergewichtReifenbreiteTubeless-SystemSchlauch-System
60 - 70 kg40 mm35-45 psi (2,4-3,1 bar)40-50 psi (2,8-3,4 bar)
60 - 70 kg45 mm30-40 psi (2,1-2,8 bar)35-45 psi (2,4-3,1 bar)
70 - 80 kg35 mm40-50 psi (2,8-3,4 bar)45-55 psi (3,1-3,8 bar)
70 - 80 kg40 mm35-45 psi (2,4-3,1 bar)40-50 psi (2,8-3,4 bar)
80 - 90 kg35 mm45-55 psi (3,1-3,8 bar)50-60 psi (3,4-4,1 bar)
80 - 90 kg40 mm40-50 psi (2,8-3,4 bar)45-55 psi (3,1-3,8 bar)
90 - 100 kg35 mm50-60 psi (3,4-4,1 bar)55-65 psi (3,8-4,5 bar)
90 - 100 kg40 mm45-55 psi (3,1-3,8 bar)50-60 psi (3,4-4,1 bar)

Diese Werte bieten einen guten Ausgangspunkt, können aber je nach Gelände und persönlichem Fahrgefühl angepasst werden. Generell empfiehlt sich bei unebenem Gelände ein etwas niedrigerer Druck für bessere Traktion und Komfort.

Eine Zusammenfassung

Die Wahl des richtigen Reifendrucks, also dem Druck, der die beste Traktion und den besten Komfort für dein Gravelbike verspricht, hängt von Faktoren ab wie Reifenbreite, Untergrund, Felgenbreite oder auch vom Gewicht des Fahrers – und vom verwendeten Reifensystem. Es ist wichtig, dass du diese Aspekte berücksichtigst, um die optimale Leistung, den Komfort und auch Sicherheit zu gewährleisten. Durch Testen und Anpassen des Reifendrucks an die individuellen Bedürfnisse und Bedingungen kannst du die beste Performance aus dir und deinem Rennrad herausholen.

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